BSI startet Pflicht-Rollout: Verpflichtung und Chance für Messstellenbetreiber
Welche Rolle spielen hierbei neue Geschäftsmodelle, Synergien & Technologien wie das Smart Meter Gateway?
Das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) regelt die Ausstattung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen (Rollout) und formuliert regulatorische Anforderungen an die Rolle des Messstellenbetreibers.
Das im August 2016 ausgefertigte Gesetz war -bis vor einigen Monaten- hinsichtlich der Ausstattung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen noch nicht verpflichtend. Gemäß § 30 MsbG stand diese Verpflichtung nämlich unter dem Vorbehalt, dass mindestens drei voneinander unabhängige Unternehmen intelligente Messsysteme am Markt anbieten die den am Einsatzbereich des Smart-Meter-Gateways orientierten Vorgaben des § 24 Abs. 1 MsbG genügen und das das BSI dies feststellt. Diese Vorgaben sind nun erfüllt. Nachdem drei Unternehmen die Zertifizierung erhielten (EMH, Sagemcom Dr. Neuhaus, PPC), hat das BSI seine Marktanalyse zur Feststellung der technischen Möglichkeiten zum Einbau intelligenter Messsysteme nach § 30 MsbG Anfang dieses Jahres veröffentlicht.
Intelligentes Messsystem i.S. des MsbG
Das „intelligente Messsystem“ ist in § 2 Nr. 1 MsbG wie folgt definiert: eine über ein Smart-Meter-Gateway in ein Kommunikationsnetz eingebundene moderne Messeinrichtung zur Erfassung elektrischer Energie, das den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegelt und den besonderen Anforderungen nach den §§ 21 und 22 genügt, die zur Gewährleistung des Datenschutzes, der Datensicherheit und Interoperabilität in Schutzprofilen und Technischen Richtlinien festgelegt werden können.
Bedeutung für Messstellenbetreiber
Dies bedeutet konkret, dass grundzuständige Messstellenbetreiber gem. § 29 Abs. 1 MsbG Messstellen:
- bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch über 6.000 Kilowattstunden sowie bei Letztverbrauchern, mit denen eine Vereinbarung nach § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (Steuerbare Verbrauchseinrichtungen in Niederspannung) besteht und
- bei Anlagenbetreiber mit einer installierten Leistung über sieben Kilowatt,
mit einem intelligenten Messsystem ausstatten müssen.
Letztverbraucher und Anlagenbetreiber müssen den Einbau akzeptieren, haben aber die Wahl, einen anderen als den grundzuständigen Messstellenbetreiber mit dem Einbau und dem Betrieb zu beauftragen. Der grundzuständige Messstellenbetreiber ist in der Regel der Netzbetreiber vor Ort.
Im Bereich der Neueinbauten – unabhängig ob ein Pflichteinbaufall im Sinne des MsbG vorliegt -, dürfen nur noch intelligente Messsysteme verbaut werden (vgl. § 19 Abs. 5 MsbG).
Bereits installierte Altsysteme unterliegen den Regelungen des § 19 Abs. 5 MsbG und dürfen noch bis zum Ablauf von acht Jahren nach ihrem Einbau genutzt werden.
Lohnt sich das Geschäft?
Auf den ersten Blick hält sich die Wirtschaftlichkeit dieses Geschäfts in engen Grenzen. Um den Pflichten eines Messstellenbetreibers gerecht zu werden, sind zunächst hohe Kosten für die Umsetzung aufzuwenden. So ist die Messtechnik einzukaufen, die IT anzupassen, Marktkommunikation zu betreiben, Personal einzustellen und ein geeigneter Gatewayadministrator auszuwählen. Diesem Kostenblock stehen eher geringe Einnahmen entgegen, die bei Standardleistungen durch eine Preisobergrenze gedeckelt sind. Für Zusatzleistungen kann ein angemessenes Entgelt verlangt werden. Doch welche Einsatzbereiche intelligenter Messsysteme sind denkbar und könnten diese die vorherige Kosten-Nutzenkalkulation in Anbetracht der Erlangung einer strategischen Startposition nicht in Frage stellen? Auch könnte die Wirtschaftlichkeit des Geschäfts problemlos durch eine Erhöhung der Anwendungsfälle erreicht werden.
Neue Marktentwicklungen
Nun könnte man denken, dass sich der Einsatzbereich des intelligenten Messsystems lediglich auf die mit der Belieferung und Einspeisung von Energie verbundene Dienstleistung bezieht, wie etwa die Erfassung und Übermittlung von Zählerständen zu Abrechnungszwecken. Dies ist aber keineswegs der Fall. Vielmehr soll das Smart Meter Gateways als Kernkomponente des intelligenten Messsystems zukünftig als Plattform für ein Bündel von Dienstleistungen dienen, wie die folgende Abbildung verdeutlicht.
Abbildung 1: Einsatzbereiche für intelligente Messsysteme (Quelle: BSI Marktanalyse v1.1, S. 27)
Smart Metering ist der primäre Einsatzbereich für intelligente Messsysteme. Sub-Metering umfasst hierbei die spartenübergreifende Messung für Gas, Wasser und Heizwärme umfasst.
Der Einsatzbereich Smart Grid umfasst insbesondere energiewendespezifische Anwendungsfälle, die zukünftig vor allem für die Einbindung von dezentralen Erzeugungsanlagen, Speichern und steuerbaren Verbrauchseinrichtungen, sogenannten Controllable Local Systems (CLS), bedeutsam sind. Hierzu zählt insbesondere der Abruf der aktuellen Ist-Einspeisung bei Erzeugungsanlagen, die Erhebung und Übermittlung von Netzzustandsdaten sowie die Steuerung der angeschlossenen CLS.
Die Nutzung von Elektromobilen als Stromspeicher und für die Bereitstellung von Regelenergie wird zukünftig eine wichtige Rolle spielen und steht bezüglich der Anwendungsfälle im engen Zusammenhang mit dem Einsatzbereich Smart Grid. Die zukünftige Integration des Smart-Meter-Gateways in die Ladeinfrastruktur ermöglicht beispielsweise ein sicheres und datenschutzkonformes Laden und Abrechnen von Ladevorgängen.
Das Smart Meter Gateway muss offen für weitere Anwendungen und Mehrwertdienste, wie Smart Home und Smart Services sein. Diese Vorgabe ist als Aufforderung an entsprechende Dienstleister zu verstehen, das Smart Meter Gateway als Plattform für ihre Dienste zu verwenden.
Erhöhung der Anwendungsfälle
Die Aufgabe des grundzuständigen Messstellenbetreibers übernimmt meistens der Netzbetreiber. Doch ist diese Dienstleistung zwingend bei dem Energieversorger oder dem Energiedienstleistungsunternehmen anzusiedeln? Wie oben beschrieben, stellt die Datenverarbeitung einen Aufgabenschwerpunkt des Messstellenbetreibers dar. Die Verarbeitung von Daten ist aber naturgemäß Aufgabe des Telekommunikationsunternehmens. Beispielsweise auf Grund des voranschreitenden Breitbandausbaus wäre das Telekommunikationsunternehmen in der Lage ohne großen Mehraufwand die Haushalte mit der entsprechenden Technik auszustatten. Die Reichweite eines solchen Vorgehens wäre beträchtlich. Auch könnte über den gemeinsamen Vertrieb von TK-Unternehmen und Energieversorger nachgedacht werden. An dieser Schnittstelle drängen sich neue Geschäftsmodelle geradezu auf, die auf Grund ihrer Reichweite ein wirtschaftliches Geschäftsmodell ohne große Mehrarbeit herausarbeiten lassen.
Fazit
Insbesondere für den grundzuständigen Messstellenbetreiber ist der Rollout definitiv eine Herausforderung, aber eben auch eine Chance. So sind digitale Geschäftsmodelle und Mehrwertdienste nun endlich möglich. Das Smart Meter Gateway hat das Potenzial zur zentralen Kommunikationsschnittstelle im Gebäude zu werden. Denkt man nun an eine Kombination von Internet of Things (IoT) und CLS-Technologien lassen sich eine Vielzahl von Anwendungen digital abbilden.
Aber auch neue Geschäftsmodelle für Telekommunikationsunternehmen, bspw. auf Grund des Glasfaserausbaus drängen sich auf. Synergien zwischen TK-Unternehmen und Energieversorger sollten analysiert werden.
WIRTSCHAFTSRAT RECHT, als langjähriger Beratungspartner von Stadtwerken, Energieversorgern, aber auch TK-Unternehmen ist es gewohnt innovative und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln und rechtssicher zu etablieren. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.