Bürgerenergiegesellschaften – Stärkung der lokalen Akzeptanz und Wertschöpfung für Wind- und Solarprojekte

Erhalten Sie zentrale Einblicke zum Thema Bürgerenergiegesellschaften.

20.2.2023

Bürgerenergiegesellschaften – Stärkung der lokalen Akzeptanz und Wertschöpfung für Wind- und Solarprojekte

Deutschland verfolgt ambitionierte Klimaschutzziele. Im Jahr 2030 sollen 80 % des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen und im Jahr 2035 soll die Stromerzeugung nahezu klimaneutral erfolgen.[1] Bei der Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien will der Bund den „Rückhalt der gesamten Gesellschaft“ nutzen. Ein zentraler Hebel hierfür sind die Bürgerenergiegesellschaften, die der novellierte Rechtsrahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) neu definiert und die für Windenergie an Land eine zusätzliche Förderung ab dem 01.01.2023 erhalten können.

Durch die Entbindung von der Pflicht zur Teilnahme an Ausschreibungen privilegiert das EEG 2023 Wind- und Solarprojekte von Bürgerenergiegesellschaften. Zur Steigerung der lokalen Akzeptanz und Wertschöpfung definiert die aktuelle Rechtslage die Bürgerenergiegesellschaften neu.[2] Außerdem können Bürgerenergiegesellschaften neben Windenergieanlagen nun auch für Solaranlagen die Marktprämie ohne Beteiligung an einer Ausschreibung erhalten.

Nach § 3 Nr. 15 EEG 2023 (sowie gemäß der Ziffer 3 der Förderrichtlinie) ist eine Bürgerenergiegesellschaft eine Genossenschaft oder andere Gesellschaft,

  • die aus mindestens 50 natürlichen Personen als stimmberechtigte Mitglieder oder stimmberechtigte Anteilseigner besteht,
  • bei der mindestens 75 % der Stimmrechte bei natürlichen Personen liegen, die in einem Postleitzahlengebiet mit einer Wohnung gemeldet sind, welches sich im Umkreis von 50 km um den Standort der geplanten Anlage befindet,
  • bei der die Stimmrechte, die nicht bei natürlichen Personen liegen, ausschließlich bei Kleinstunternehmen, kleinen oder mittleren Unternehmen (KMU) oder bei kommunalen Gebietskörperschaften sowie deren rechtskräftigen Zusammenschlüssen liegen und
  • bei der kein Mitglied oder Anteilseigner der Gesellschaft mehr als 10 % der Stimmrechte an der Gesellschaft hält.

Durch das Anheben der Anzahl der natürlichen Personen von 10 auf 50 stimmberechtigte Mitglieder oder Anteilseigner, der Vorgabe der Mindestbeteiligung von natürlichen Personen in Höhe von mindestens 75 % und der Wohnortnähe zum Anlagenstandort soll die Verankerung der Bürgerenergiegesellschaft vor Ort stärken [3]. Die natürlichen Personen als Gesellschafter bekommen die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft und können an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung mitwirken.

Die Befreiung von der Ausschreibungspflicht zur Ermittlung der Marktprämie nach § 22b EEG 2023 gilt für Windenergieanlagen an Land mit einer installierten Leistung bis einschließlich 18 MW nach § 22 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 EEG 2023 und für Solaranlagen mit einer installierten Leistung bis einschließlich 6 MW nach § 22 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 EEG 2023. Mit diesen neuen Regelungen werden Bürgerenergiegesellschaften in zweierlei Hinsicht privilegiert. Bisher wurden die Bürgerenergiegesellschaften bei den Ausschreibungen bereits hinsichtlich der Höhe des Zuschlagswertes bevorzugt [4], nun können sie sogar eine Marktprämie erhalten, ohne sich an Ausschreibungen zubeteiligen. Weiterhin wurden neben den Windenergieanlagen an Land nun auch Solaranlagen des 1. Segments von der Ausschreibungspflicht befreit.

Hierfür muss die Bürgerenergiegesellschaft für Windenergieanlagen an Land die übrigen Anforderungennach § 22b Abs. 1 EEG 2023 einhalten:

  • Spätestens 3 Wochen nach Genehmigungserteilung gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) muss der Bundesnetzagentur (BNetzA) mit der Registernummer mitgeteilt werden, dass es sich um Anlagen einer Bürgerenergiegesellschaft handelt.
  • Es gilt eine „Sperrfrist“ für die Bürgerenergiegesellschaft und ihre stimmberechtigten Mitglieder / Anteilseigner, die juristische Personen des Privatrechts sind, und die mit ihnen verbundenen Unternehmen. Diese dürfen in den vorangegangenen 3 Jahren keine weiteren Windenergieanlagen an Land in Betrieb genommen haben.

Gemäß § 22b Abs. 2 EEG 2023 gilt zur Ausschreibungsfreiheit von Solaranlagen desselben Segments neben einer vergleichbaren „Sperrfrist“ von 3 Jahren, dass das Bestehen der Solaranlage der BNetzA unter Angabe der Registernummer spätestens 3 Wochen nach Inbetriebnahme mitgeteilt worden ist.

Die „Sperrfristen“ gelten aber gerade nicht für Bürgerinnen und Bürger, die als Privatpersonen gleichzeitig an mehreren Bürgerenergiegesellschaften beteiligt sind.

Die BNetzA veröffentlicht eine Liste der Registernummern der gemeldeten Windenergieanlagen an Land und der gemeldeten Solaranlagen (§ 22b Abs. 3 EEG 2023). Die Voraussetzungen einer Bürgerenergiegesellschaft muss dem Netzbetreiber bei Inbetriebnahme und danach alle 5 Jahre in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum nachgewiesen werden (§ 22b Abs. 4 EEG 2023).

Der Sperrfrist hinsichtlich der Inbetriebnahme einer Anlage für den Zeitraum vor der Mitteilung an die BNetzA steht ein Förderausschluss gegenüber. Die Bürgerenergiegesellschaft und ihre stimmberechtigten Mitglieder oder Anteilseigner, die juristische Personen des Privatrechts sind, und die mit ihnen verbundenen Unternehmen dürfen innerhalb von 3 Jahren ab der Mitteilung keine EEG-Förderung für weitere Anlagen derselben Technologie und desselben Segments erhalten (§ 22b Abs. 5 EEG 2023).

Für die Bestimmung der Anlagengröße ist die Fiktion einer Gesamtanlage nach § 24 EEG 2023 zu beachten. Dies gilt insbesondere, da nur Windenergieanlagen an Land mit einer installierten Leistung bis einschließlich 18 MW und Solaranlagen mit einer installierten Leistung bis einschließlich 6 MW von der Ausschreibungspflicht freigestellt sind. Für die Größenberechnung werden mehrere Windenergieanlagen an Land oder Freiflächenanlagen unabhängig von den Eigentumsverhältnissen für den jeweils zuletzt in Betrieb gesetzten Generator zu einer Anlage zusammengerechnet, wenn sie innerhalb einer Gemeinde, die für den Erlass eines Bebauungsplans zuständig ist oder gewesen wäre, innerhalb von 24 Monaten innerhalb eines 2 km-Radius in Betrieb genommen worden sind.

Diese Vorschrift dient dazu, dass Betreiber nicht entgegen wirtschaftlicher Überlegungen mehrere kleinere Anlagen anstelle einer größeren Anlage errichten, um eine höhere Förderung zu erzielen.[5]

Damit die Stärkung der Bürger-/innen-Beteiligung vor Ort an Windenergie- und Solarprojekten erreicht wird, sieht § 99b EEG 2023 eine regelmäßige Berichtspflicht der BNetzA gegenüber der Bundesregierung vor, um bei Bedarf zur Erreichung des Ziels nachzusteuern.

Mit der Richtlinie zum Förderprogramm „Bürgerenergiegesellschaften“ bei Windenergie an Land verfolgt das BMWK das Ziel, bei dem Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien auf 80 % des Bruttostromverbrauches eine größere Akteursvielfalt, insbesondere durch lokal agierende Bürgerenergiegesellschaften zu erreichen und damit den notwendigen Rückhalt in der Gesellschaft zu stärken.

Für Windenergieanlagen an Land bis zu einer Größe von 25 MW pro antragstellender Bürgerenergiegesellschaft können 70 % der Planungs- und Genehmigungskosten bis zu einer Grenze von 200.000 Euro gefördert werden. Insbesondere förderfähig sind hierbei sämtliche Vorplanungskosten (z.B. Datenermittlung, Machbarkeitsstudien, Standortanalysen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen), Gutachten für bei Projektumsetzung erforderliche Bebauungsplanänderungen sowie die Rechts- und Steuerberatungsleistungen im Zusammenhang mit grundlegenden Projektfragen, außer der Gründung einer Bürgerenergiegesellschaft.

Der Zuschuss ist zurückzuzahlen, wenn innerhalb von 2,5 Jahren nach der Auszahlung

  • eine Genehmigung gemäß BImschG erging, aber weder ein Gebot bei einer EEG-Ausschreibung einging noch die Förderregistrierung nach § 22b EEG 2023 erfolgte;
  • oder ein Zuschlag in einem EEG-Ausschreibungsverfahren erteilt wurde;
  • oder eine Förderregistrierung nach § 22b EEG 2023 erfolgte.

Die Rückzahlungspflicht entfällt, wenn innerhalb von 2 Jahren für die geförderte Windenergieanlage mindesten ein Gebot in einem EEG-Ausschreibungsverfahren abgegeben, aber wegen Überzeichnung binnen 2 Jahren kein Zuschlag erteilt wurde oder durch eidesstattliche Erklärung versichert wird, dass das Projekt nicht genehmigungsfähig ist.

KirstenThiele

Rechtsanwältin

Fachanwältinfür Handels- und Gesellschaftsrecht


[1] BT-Drs.20/1630, S. 1.

[2] BT-Drs.20/1630, S. 169.

[3] BT-Drs.20/1630, S. 169.

[4] BT-Drs. 20/1630,S.177.

[5] BT-Drs. 16/8148, S. 50.

Klicken Sie hier für einen kostenlosen Zugang zu unserer PräsentationDownload 2Download 3